THYROID-LIT. 51020

The changing face of multiple endocrine neoplasia 2A: from symptom-based to preventive medicine

Machens, A.; Lorenz, K.; Brandenburg, T.; Führer-Sakel, D.; Weber, F.; Dralle, H.

(Dept. of Visceral, Vascular and Endocrine Surgery, Faculty of Medicine, Martin Luther University Halle-Wittenberg, Dept. of Endocrinology, Diabetology and Metabolism, University of Duisburg-Essen, Essen, Dept. of General, Visceral and Transplantation Surgery, Div. of Endocrine Surgery, University of Duisburg-Essen, Essen, all Germany)

J Clin Endocrinol Metab, 108: e734-e742 (2023)

Die sog. „personalisierte Medizin“ hat die Prävention und Therapie unter Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten zum Ziel. Als Beispiel für einen solchen Ansatz kann die multiple endokrine Neoplasie (MEN) 2A betrachtet werden. Bei der MEN2A handelt es sich um ein autosomal-dominant vererbtes Krankheitsbild, das neben einem medullären Schilddrüsen­karzinom in vielen Fällen mit einem Phäochromozytom und primären Hyperparathyreoidismus assoziiert ist. Die Wahr­scheinlich­keit der Ausbildung eines vollständigen MEN2A-Syndroms hängt wesentlich von dem vorhandenen Mutationsmuster des Gentragenden und dem Alter bei der Erstuntersuchung ab. Je nach Mutation im RET-Protoonkogen kann eine Hoch­risikogruppe und eine Gruppe mit mäßigem Risiko unterteilt werden. Letztere Gruppe kann je nach Vorliegen der Mutation weiter klassifiziert werden.

Eingeschlossen wurden alle Tragenden einer RET-Mutation, die auf eine MEN2A hinweist, die vor 2020 geboren wurden und wegen einer MEN2A operiert wurden (sog. Indexpatient*innen). Hinzugezogen wurden die Verwandten dieser Patient*innen, bei denen ebenfalls die Mutation gefunden wurde (bezeichnet als Non-Indexpatient*innen). In jedem Fall erfolgte bei RET-Tragenden eine Thyreoidektomie mit oder ohne Lymphknotendissektion, bei gegebener Indikation zudem eine Adrenalektomie oder Parathyreoidektomie.

Die Daten basieren auf 604 Tragenden der Mutation: 155 Indexpatient*innen und 445 Non-Indexpatient*innen. Ferner berücksichtigt wurden 4 weitere Patient*innen. Insgesamt zeigten sich je nach Vorliegen einer bestimmten Mutation bei 237 Personen eine Hochrisiko-Mutation (Gruppe I), bei 165 eine Mutation hohen bis moderaten Risikos (Gruppe II) und bei 202 Personen eine Mutation niedrigen bis moderaten Risikos (Gruppe III). Signifikante Unterschiede ergaben sich bezüglich der Zuordnung der Indexpatient*innen in die drei genannten Gruppen: 19,8 vs. 23,0 vs. 34,7 % (p = 0,002). Auch das Alter unterschied sich signifikant: 17 vs. 28 vs. 39 Jahre (Mediane; p < 0,001). Ebenfalls signifikant unterschiedlich fiel der Anteil der Patient*innen aus, bei denen nach biochemischen Kriterien von einer Heilung auszugehen war: 63,1 vs. 34,1 vs. 50,0 % (p = 0,007). Auch der Anteil der Patient*innen, die ein Phäochromozytom entwickelten, unterschied sich signifikant (32,1 vs. 16,4 vs. 3,0 %; p < 0,001). Gleiches gilt für das kontralaterale Phäochromozytom (19,4 vs. 4,8 vs. 1,5 %; p < 0,001) und für die Diagnose eines primären Hyperparathyreoidismus (11,4 vs. 2,4 vs. 0,5 %; p < 0,001).

Beeindruckend die Entwicklung, wenn die Gentragenden je nach Geburtsdatum in 10-Jahres-Kohorten eingruppiert wurden. Es zeigte sich ein kontinuierlicher und signifikanter Rückgang des Anteils der Indexpatient*innen über die Zeit und ebenso ein deutlicher Rückgang des Nachweises eines medullären Karzinoms (p jeweils < 0,001; siehe Abbildung).

Vergleichbare Ergebnisse zeigten sich für den Nachweis von Lymphknotenmetastasen. Auch hier war ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen. Zudem nahm das Lebensalter über die Jahre kontinuierlich ab: von 51–63 Jahre auf 3–5 Jahre bei Durchführung der Thyreoidektomie (p < 0,001). Dies galt auch für die Vornahme einer Adrenalektomie oder Parathyreoid­ektomie. Ferner nahm der Durchmesser des medullären Karzinoms von 14–32 mm auf 1–4 mm ab (p ≤ 0,002).

Die Daten zeigen somit über die Jahre überzeugend die Änderungen der Vorgehensweise: von einem reaktiven Therapieansatz auf eine präventive Vorgehensweise.

Letzte Aktualisierung: 05.07.2024