THYROID-LIT. 50967

Thyroidectomy without radioiodine in patients with low-risk thyroid cancer.

Leboulleux, S.; Bournaud, C.; Chougnet, C.N.; Zerdoud, S.; Al Ghuzlan, A.; Catargi, B.; Do Cao, C.; Kelly, A.; Barge, M.-L.; Lacroix, L.; Dygai, I.; Vera, P.; Rusu, D.; Schneegans, O.; Benisvy, D.; Klein, M.; Roux, J.; Eberle, M.-C.; Bastie, D.; Nascimento, C.; Giraudet, A.-L.; Le Moullec, N.; Bardet, S.; Drui, D.; Roudaut, N.; Godbert, Y.; Morel, O.; Drutel, A.; Lamartina, L.; Schvartz, C.; Velayoudom, F.-L.; Schlumberger, M.-J.; Leenhardt, L.; Borget, I.

(Diverse Institutionen in Frankreich)

New Engl J Med 386: 923-932 (2022)

Während der letzten Jahre wurden einige Studien zur Prognose von Patienten mit einem Schilddrüsenkarzinom mit niedrigem Risiko (low-risk) publiziert. So wurde auch der Stellenwert einer Radiojodtherapie kritisch hinterfragt.

In dieser prospektiven, randomisierten Studie wurde dieser Frage nachgegangen.

Dabei erhielten die Patienten nach der Thyreoidektomie mit oder ohne Neck dissection entweder eine ablative Radiojodtherapie (RJTh) mit 1,1 GBq oder keine solche Behandlung.

Von den 776 teilnehmenden Patienten konnten 730 über drei Jahre nachbeobachtet werden. Alle hatten ein differenziertes multifokales Schilddrüsenkarzinom (papillär, follikulär oder ein Hürthle-Zell-Tumor; Stadium pT1a oder pT1b, jeweils N0 oder Nx, ohne Hinweise auf extrathyreoidale Ausdehnung). Patienten, bei denen aggressive histologische Subtypen vorlagen, wurden aus der Studie ausgeschlossen. Das Primärziel der Studie war es, eine Nichtunterlegenheit des Verzichts auf eine RJTh gegenüber der RJTh nachzuweisen. Sekundäre Endpunkte waren die Lebensqualität, Angstgefühle, Furcht vor einem Rezidiv oder Funktionsbeeinträchtigung der Speichel- oder Tränendrüsen.

Das mittlere Alter der Patienten betrug 52 Jahre. Das weibliche Geschlecht überwog bei Weitem (83 %). In der weit überwiegenden Zahl handelt es sich um papilläre Karzinome (95,9 %), zumeist im Stadium pT1b N0 oder Nx (81,1 %). Bei 95,9 % in der Gruppe, die eine RJTh erhielt (95 %-Vertrauensbereich 93,3–97,7) und bei 95,6 % in der Gruppe, die keine RJTh erhielt (95 %-Vertrauensbereich 93,0–97,5) wurde kein tumorassoziiertes Ereignis festgestellt. Somit wurde die Nichtunterlegenheit des Verzichts auf eine RJTh dokumentiert. Bei 16/367 Patienten in der Gruppe, die keine RJTh erhielt (4,4 %), und bei 15/363 Patienten, die eine RJTh erhielten (4,1 %), kam es im Laufe der Nachbeobachtung zu einem Ereignis, wie ein Nachweis von Thyreoglobulin oder von Thyreoglobulin-Antikörpern. Eine Lymphknotenvergrößerung zeigte sich in zwei Fällen der RJTh-Gruppe und in drei Fällen der Nicht-RJTh-Gruppe. Ein Herd mit Radiojod-uptake zeigte sich bei zwei Patienten der RJTh-Gruppe und in keinem Fall der Nicht-RJTh-Gruppe. Insgesamt war eine erneute Operation mit und ohne erneute RJTh bei vier Patienten in der Nicht-RJTh-Gruppe und zehn Patienten in der RJTh-Gruppe erforderlich. Molekulare Unter­suchungen ergaben keine Unterschiede zwischen Patienten mit und ohne Ereignis während der Nachbeobachtung­s­phase.

Beide Gruppen unterschieden sich nicht bezüglich Aspekten der Lebensqualität, einschließlich Angstgefühlen oder Furcht vor einem Rezidiv.

Die sehr exakte und hervorragend angelegte Untersuchung belegt somit, dass bei Patienten mit einem low-risk-differenzierten Schilddrüsenkarzinom eine abwartende Vorgehensweise ohne RJTh gegenüber der Durchführung einer RJTh nicht unterlegen ist.

Letzte Aktualisierung: 20.07.2022