THYROID-LIT. 50941

Selenium in endocrinology – selenoprotein-related diseases, population studies, and epidemiological evidence.

Köhrle, J.

(Institut für Experimentelle Endokrinologie, Charité-Universitätsmedizin Berlin, Freie Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin, and Berlin Institute of Health, Berlin, Germany)

Endocrinol 162: 1 - 14 (2021)

Die Bedeutung einer ausreichenden Versorgung mit Selen, gerade bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse, wurde während der letzten Jahre mehrfach untersucht und beschrieben. Eine unzureichende Versorgung mit diesem Spurenelement liegt bei ca. zwei Milliarden Menschen vor. Nicht nur bezogen auf die Schilddrüse, auch bezüglich anderer endokriner Systeme wurde ein Einfluss von Selen beschrieben. Der Autor berichtet in dieser Übersicht den aktuellen Stand der Wissenschaft in diesem hochinteressanten Gebiet.

Zunächst wird auf eine seltene Erkrankung (Keshan-Erkrankung) eingegangen, eine endemische Häufung einer Kardio­myopathie in Regionen mit schwerem Selenmangel. Durch eine Selensubstitution konnte die Prävalenz um mehr als 90 % gesenkt werden.

Selenoproteine werden in einer komplexen Weise generiert. Sie sind für die meisten, vielleicht sogar alle physiologischen Effekte von Selen verantwortlich. Von besonderer Bedeutung ist das Selenoprotein P. Es gilt als diagnostischer Marker für die Selenversorgung einer Person.

Selen und Schilddrüse: Bereits vor Jahrzehnten wurde beschrieben, dass eine Selenmangel einen negativen Effekt auf den Schilddrüsenhormonstatus ausübt. Im Mittelpunkt standen die drei Selenocystein enthaltenden Dejodinasen. Allerdings kommt es nur relativ selten zu einem so ausgeprägten Selenmangel mit derart reduzierter Dejodinaseaktivität, dass ein T3-Abfall resultiert. Bei Autoimmunerkrankungen gingen eine Reihe von Studien dem Effekt einer Selensubstitution auf diese Erkrankungen nach. Viele Studien, die z. B. den Verlauf der Antikörper berichteten, waren jedoch zu klein, zu kurz, zu heterogen und inkonsistent, um eine eindeutige Aussage ableiten zu können. Allerdings fand die Empfehlung einer Supplementierung von Selen Eingang in Leitlinien zur endokrinen Orbitopathie. Zudem wird über eine groß angelegte Studie aus China berichtet, in der bei Selenmangel eine höhere Hyperthyreoserate bei Männern bestand und zudem eine höhere Prävalenz einer subklinischen und klinischen Hypothyreose sowie einer Autoimmunthyreoiditis beschrieben wurde.

Selen und Nebenniere: Erste Studien zeigen auch einen Einfluss von Selen auf den Glukokortikoidmetabolismus. So wurde über eine Familie berichtet, bei der eine Mutation der Thioredoxin-Reduktase zu einem Mangel an Glukokortikoiden führte.

Selen und Gonaden: In den Gonaden, insbesondere den Hoden, findet sich eine der höchsten Selenkonzentrationen der endokrinen Organe. Ein Selenmangel wurde so auch mit einer männlichen Infertilität und geringeren Motilität der Spermien in Verbindung gebracht. Auch hier wird ein Zusammenhang mit der unzureichenden Wirkung verschiedener Selenoproteine gesehen.

Selen und Knochen: Als Beispiel wird hier die Kaschin-Beck-Erkrankung genannt, eine endemische degenerative Osteo­chondropathie, die in jungen Jahren auftritt, in verschiedenen Regionen der Welt beschrieben wurde und mit einem Selenmangel (auch einem Jodmangel) assoziiert ist. Auch berichten einzelne Arbeiten einen Zusammenhang zwischen Selenoproteinen und einer Myopathie.

Selen und Diabetes mellitus: Diskutiert wurde, ob eine Selensupplementierung zu einem erhöhten Diabetesrisiko führt. Hierfür gibt es aber keine überzeugende Evidenz.

Eine interessante Übersicht, die differenziert die Rolle von Selen /Selenoproteinen darstellt, aber auch darauf verweist, dass die Charakterisierung als Antioxidans nicht ausreicht. Vielmehr sollte jeder Empfehlung einer Selengabe ein auf das Individuum angestimmtes Abwägen vorausgehen.

Letzte Aktualisierung: 04.10.2021