LITERATUR

THYROID-LIT. 50899

From overdiagnosis to overtreatment of low-risk thyroid cancer: A thematic analysis of attitudes and beliefs of endocrinologists, surgeons, and patients.

Jensen, C.B.; Saucke, M.C.; Francis, D.O.; Voils, C.I.; Pitt, S.C.

(University of Wisconsin School of Medicine and Public Health; Wisconsin Surgical Outcomes Research Program, Dept. of Surgery, University of Wisconsin School of Medicine and Public Health; Div. of Otolaryngology-Head & Neck Surgery, Dept. of Surgery, University of Wisconsin School of Medicine and Public Health; Div. of Endocrine Surgery, Dept. of Surgery, University of Wisconsin School of Medicine and Public Health, all Madison, Wisconsin, USA)

THYROID Jan 7. doi: 10.1089/thy.2019.0587. [Epub ahead of print] (2020)

Die optimale Betreuung von Patienten mit kleinen, sogenannten Low-Risk-(papillären) Schilddrüsenkarzinomen wird kontrovers diskutiert. In diesem Zusammenhang werden immer wieder Probleme wie Überdiagnostik und Übertherapie angeführt.

In der hier vorgestellten Studie wurden semistrukturierte Interviews mit Chirurgen (n = 12), Endokrinologen (n = 12) und betroffenen Patienten mit einem papillären Schilddrüsenkarzinom < 1,5 cm (n = 10) zu diesem Themenkomplex geführt. Die meisten der interviewten Ärzte waren der Ansicht, dass Übertherapie bei kleinen Schilddrüsenkarzinomen eine direkte Folge der Überdiagnostik sei. Am Anfang steht oft der Zufallsbefund eines Schilddrüsenknotens im Rahmen diverser bildgebender Verfahren aus völlig anderen Gründen.

Die Diagnose eines Inzidentaloms der Schilddrüse zieht häufig mehr oder weniger automatisch eine Kaskade weiterer diagnostischer Maßnahmen nach sich, die dann letztlich in einer Operation bzw. Übertherapie münden. Sowohl Ärzte als auch Patienten schilderten den Prozess von der Diagnose bis zur Therapie als relativ automatisch ablaufend und unausweichlich. Ein kritischer Punkt bei der Überdiagnostik von Schilddrüsenknoten scheint auch die Feinnadelbiopsie zu sein, die offenbar mehr oder weniger gewohnheitsmäßig als eine Art Reflex durchgeführt wird. Begründet wird dieses reflexhafte Vorgehen zum einen durch eine mangelnde Kenntnis bzw. Einhaltung der entsprechenden Leitlinien, zum anderen aber auch durch eine gewisse Erwartungshaltung der überweisenden Kollegen und nicht zuletzt der Patienten selbst. Steht dann die Diagnose eines Schilddrüsenkarzinoms erst einmal fest, sehen sich die meisten Behandler genötigt, dem Patienten eine operative Therapie nahezulegen oder zumindest anzubieten. Für die Patienten, die durch die Karzinomdiagnose häufig verunsichert und geängstigt sind, stellt die Operation dann oft die folgerichtige Maßnahme dar, deren Notwendigkeit in der Regel auch nicht weiter hinterfragt wird. Verschiedene Strategien werden vorgeschlagen um Überdiagnostik und Übertherapie bei (papillären) Mikrokarzinomen der Schilddrüse zu vermeiden. Diese sehen vor allem Fortbildungsmaßnahmen für Behandler vor, besonders im Hinblick auf eine Einhaltung der vorhandenen Leitlinien. Genauso wichtig erscheint aber auch die Aufklärung der Patienten über das biologische Verhalten thyreoidaler Mikrokarzinome, um Ängste diesbezüglich zu minimieren und die Zurückhaltung bei therapeutischen Maßnahmen verstehbar zu machen. Hierbei könnten z. B. auch mehr seriöse Berichte in den Massenmedien helfen.

Letzte Aktualisierung: 20.04.2020