LITERATUR

THYROID-LIT. 50915

Does obesity cause thyroid cancer? A Mendelian randomization study.

Fussey, J.M.; Beaumont, R.N.; Wood, A.R.; Vaidya, B.; Smith, J.; Tyrrell, J.

(Head and Neck Surgery, Royal Devon and Exeter Hospital; Genetics of Complex Traits, College of Medicine and Health, University of Exeter; Genetics of Complex Traits, College of Medicine and Health, University of Exeter; Endocrinology, Royal Devon and Exeter Hospital; Head and Neck Surgery, Royal Devon and Exeter Hospital; Genetics of Complex Traits, College of Medicine and Health, University of Exeter, all Exeter, UK)

J Clin Endocrinol Metab, 105 (7): e2398 - 2407 (2020)

Die Inzidenz von Schilddrüsenkarzinomen steigt. Wenig ist aber über modifizierbare Risikofaktoren bekannt. Allerdings wird eine Adipositas als Risikofaktor für diverse Malignome angesehen. Es liegen Studienergebnisse vor, die auch für das Schilddrüsenkarzinom eine Beziehung zum Body-Mass-Index (BMI) beschreiben. Dabei gilt dies nicht nur für die Diagnose des Schilddrüsenkarzinoms an sich, sondern auch für einen größeren Tumordurchmesser, extrathyreoidale Ausdehnung, fort­geschritteneres Tumorstadium oder trotz Therapie persistierende Erkrankung. Hierbei handelt es sich aber um Obser­vations­studien.

In der hier referierten Arbeit gingen die Autoren der Frage zwischen dem genannten Zusammenhang auf einer anderen Grundlage nach: Auf der Basis der britischen Biobank und einer Randomisierung aufgrund der Mendelschen Regeln wurde untersucht, ob eine Adipositas die Knotenbildung in der Schilddrüse und das Auftreten eines differenzierten Schild­drüsen­karzinoms fördert. Dieses als „genetische Epidemiologie“ bezeichnete Vorgehen beschreibt genetische Determinanten (hier Adipositas mit einem BMI zwischen 30 und 40 kg/m2), um zu untersuchen, ob hierdurch das Risiko einer Erkrankung beeinflusst wird, ohne Bias durch andere Einflussgrößen.

Berichtet wird über 379.708 nicht verwandte Personen europäischer Herkunft im Alter von 40 bis 69 Jahren, die zwischen 2006 und 2010 eingeschlossen wurden. Ein benigner Schilddrüsenknoten wurde bei 1.812 Personen gefunden, ein differenziertes Schilddrüsenkarzinom bei 425 Personen. Es erfolgte eine Genotypisierung nach DNA-Extraktion aus Vollblut. Patienten mit benignem oder malignem Knoten waren eher weiblichen Geschlechts und in höherem Lebensalter zum Zeitpunkt des Einschlusses. Andere Messgrößen wie Rauchgewohnheiten, Alkoholaufnahme, BMI oder Waist-hip-ratio (WHR) unterschieden sich nicht zwischen Patienten mit Schilddrüsenkarzinom und einer Kontrollgruppe. Allerdings fanden sich häufiger benigne Knoten bei Adipositas oder Diabetes mellitus 2, weniger häufig bei jetzigen Rauchern, bei Personen mit geringer Alkohol­aufnahme oder niedriger WHR. Auch eine soziale Benachteiligung, gemessen mit dem Townsend-deprivation-index, fand sich häufiger bei Patienten mit benignem Knoten. So betrug die Odds Ratio (OR) für die Adipositas (BMI zwischen 30 und 40 kg/m2) bezüglich eines benignen Knotens 1,38 (95 %-Vertrauensbereich (CI) 1,17 – 1,62), über den gesamten BMI-Bereich wurde eine OR von 1,15 gemessen (95 %-CI 1,08 – 1,22). Ähnliches gilt für die WHR (OR 1,16; 95 %-CI 1,09 – 1,23). Bezüglich eines Schilddrüsenkarzinoms war ebenfalls ein Zusammenhangstrend zu erkennen: für die Adipositas eine OR von 1,34 (95 %-CI 0,99 – 1,84), für eine höhere WHR eine OR von 1,12 (95 %-CI 1,00 – 1,26).

Die genetischen Untersuchungen zeigten keine kausale Verbindung zwischen Adipositas und benignen wie malignen Knoten. Es zeigten sich lediglich tendenzielle Hinweise, dass Personen mit dem höchsten Quartil eines genetischen Risikos für einen Diabetes mellitus 2 auch die höchsten Risiken für ein Schilddrüsenkarzinom hatten, verglichen mit dem niedrigsten Quartil (OR = 1,45, 95 %-CI 1,11 – 1,90). Die Abbil­dung fasst die Ergebnisse für einen malignen Schilddrüsenknoten grafisch zusammen (adjWHR = WHR bezogen auf den BMI, FA = favorable adiposity, T2DM = Diabetes mellitus 2, MR = Mendelian randomization). Dabei wurde als FA definiert, wenn genetische Varian­ten vorlagen, die mit einem hohen Körperfettanteil einhergehen, aber ein niedriges metabolisches Erkrankungsrisiko bedingen. One-sample MR beschreibt einen genetischen Risikoscore, two-sample MR repräsentiert eine genomumfassende Assoziationsuntersuchung.

Somit konnte die Studie keine kausale Verbindung zwischen Adipositas und benignen wie malignen Schilddrüsenknoten beschreiben. Dies steht im Gegensatz zu Beobachtungsstudien.

Letzte Aktualisierung: 13.01.2021