LITERATUR

THYROID-LIT. 50902

Evaluation of the 2015 ATA guidelines in patients with distant metastatic differentiated thyroid cancer

Van Velsen, E.F.S.; Stegenga, M.T.; van Kemenade, F.J.; Kam, B.L.R.; van Ginhoven, T.M.; Visser, W.E.; Peeters, R.P.  

(Academic Center for Thyroid Diseases, Dept. of Internal Medicine; Academic Center for Thyroid Diseases, Dept. of Pathology; Academic Center for Thyroid Diseases, Dept. of Nuclear Medicine; Academic Center for Thyroid Diseases, Dept. of Surgery, all Erasmus Medical Center, Rotterdam, The Netherlands)

J Clin Endocrinol Metab, 105 (3): e457-e465 (2020)

Im Jahre 2015 veröffentlichte die Amerikanische Schilddrüsengesellschaft (ATA) neue Leitlinien für die Behandlung von Patienten mit differenziertem Schilddrüsenkarzinom (DTC). Diese Leitlinie beinhaltet u. a. eine Stellungnahme zur Indikation einer Radiojodtherapie (RJTh), was aus europäischer Sicht kritisch hinterfragt wurde.

In der hier vorgestellten Arbeit gingen die Verfasser der Frage nach, inwieweit auf der Grundlage der ATA-Leitlinie Fernmetastasen erkannt werden und welchen Stellenwert das in den Leitlinien enthaltene „Risk Stratification System“ für die Indikationsstellung einer RJTh besitzt. Dabei wurde eine Kontrollgruppe hinzugezogen, um zu evaluieren, wie viele Fernmetastasen übersehen worden wären, wenn keine RJTh erfolgt.

In dieser retrospektiven Untersuchung wurden 83 Patienten (Alter 56,3 ± 20 Jahre) mit differenziertem Schilddrüsenkarzinom eingeschlossen, bei denen bei Diagnosestellung (n = 33) oder nach der RJTh (n = 50) bereits Fernmetastasen erkannt wurden. Alle Patienten dieser Gruppe erhielten eine RJTh (kumulative Dosis 387 mCi, Bereich 193–599 mCi). Während der Nachbeobachtungszeit von 62 Monaten (Median) starben 26 Patienten dieser Gruppe am DTC. Als Vergleichsgruppe dienten 472 Patienten mit einem DTC (312 mit niedrigem Risiko, 160 mit intermediärem Risiko), bei denen keine routinemäßige RJTh vorgenommen wurde.

Von den 50 Patienten, bei denen die Diagnose einer Fernmetastasierung nach der RJTh gestellt wurde, wurden 39 (80 %) der Hochrisikogruppe zugeordnet, sechs (12 %) der intermediären Risikogruppe und vier (8 %) der Gruppe mit niedrigem Risiko. Diese letztgenannten Patienten hätten nach den ATA-Leitlinien keine RJTh erhalten, bei den sechs Patienten mit intermediärem Risiko wäre sie erwogen worden. Die krankheitsspezifische Überlebensrate nach zehn Jahren betrug 100 % in der Gruppe mit niedrigem Risiko, 80 % in der Gruppe mit intermediärem und 68 % in der Gruppe mit hohem Risiko (p = 0,607).  

In der Kontrollgruppe von 472 Patienten erfolgte ebenfalls eine RJTh nach den niederländischen Leitlinien. Gemäß den ATA-Leitlinien wäre diese Therapie bei 54 Patienten (11 %) nicht erforderlich gewesen, bei 188 (40 %) wäre sie nicht routinemäßig erforderlich gewesen, und bei 230 (49 %) hätte sie erwogen werden können. In dieser Kontrollgruppe betrug die 10-Jahres-Überlebensrate 99,8 %. Fasst man dies zusammen, so ergaben sich auf der Grundlage der ATA-Leitlinien 246 Patienten (4 + 54 + 188), bei denen keine RJTh routinemäßig erforderlich gewesen wäre. Hier wären bei vier Patienten (1,6 %) Fernmetastasen nicht entdeckt worden. Bei den 236 Patienten (6 + 70 + 160), bei denen eine RJTh nach den ATA-Leitlinien erwogen werden könnte, wären bei sechs Patienten (2,5 %) die Fernmetastasen nicht erkannt worden.

Von den 83 Patienten mit Fernmetastasen hatten 14 % ein exzellentes Therapieansprechen, 55 (67 %) wiesen nach einer Beobachtungszeit von 62 Monaten (Median) Anhaltspunkte für eine strukturelle Erkrankung auf. Alle 14 Patienten (17 %) ohne Nachweis einer Krankheitsaktivität gehörten der Gruppe von Patienten mit hervorragendem Ansprechen an.

Somit kann zusammengefasst werden, dass nur bei 1,6 % der Patienten, bei denen nach den ATA-Leitlinien keine Indikation für eine RJTh gesehen wird, eine Fernmetastasierung übersehen worden wäre. Bei Patienten, bei denen nach der ATA-Leitlinie eine RJTh erwogen werden kann, war es bei 2,5 % der Patienten der Fall. Patienten, die auf die RJTh hervorragend ansprechen, haben auch eine hervorragende Prognose.

Letzte Aktualisierung: 13.01.2021